Artikel zur Erwachten Weiblichkeit aus Tattva Viveka
von Mayonah Bliss
Weltweit ist eine neue Frauenbewegung in Gang. Wir sind im ausgehenden Patriarchat, in dem das männliche Prinzip die dominante Rolle spielte. Wir leben in einer Zeit großer Transformation, mitten in der Geburt eines neuen Zeitalters.
Es geht heute darum, dem weiblichen Prinzip in unserer Gesellschaft wieder seinen angemessenen Platz und die gebührende Wertschätzung zu geben, die Wunden im Weiblichen zu heilen, und schließlich zu einer Balance von männlichen und weiblichen Prinzipien in unserer Kultur zu finden.
An vielen Orten dieser Welt beginnen Frauen sich wieder zu verbinden mit ihrer ureigensten weiblichen Kraft, sich zusammenzuschließen und einzutreten für eine von weiblichen Qualitäten und Werten bestimmte Zukunft.
Weltweite neue Frauenbewegung
So gibt es z.B. der Rat der indigenen Großmütter, 13 Stammesälteste aus verschiedenen Kulturen, die zusammengefunden haben, um für das Wohl dieser Erde und aller ihrer Lebewesen einzutreten. Inspiriert von ihnen hat sich auch in Deutschland ein Kreis weiser engagierter Großmütter gebildet, die auf dem Hambacher Schloß die „Machtworte der Großmütter“ ausgerufen haben.
Frauenkongresse in Deutschland, Schweiz und Österreich mehren sich, das weltweite Netz der „Awakening women“, initiiert von Chamelie Ardagh, wächst und mit der globalen Aktion von „One Billion Rising“, ein Aufruf von Eve Ensler zum Ende der Gewalt an Frauen und Mädchen, geht eine Welle um den Globus.
Über 10 000 Organisationen aus verschiedenen Ländern beteiligten sich, um dem Aufruf „Strike, Rise and Dance“ zu folgen, Millionen von Frauen tanzten auf den Straßen für ihre weibliche Würde und Selbstbestimmung bezüglich ihrem Körper und ihrer Sexualität.
Die Zeit scheint reif, daß Frauen sich aus ihrer Unterdrückung und Fremdbestimmung wieder erheben, dem Weiblichen eine Stimme geben und sich für die Wertschätzung des Weiblichen einsetzen.
Das Erbe der Frauenemanzipation der 70er
Die westliche Frauenbewegung der 70er Jahre hat den Weg geebnet in ein freieres, gleichberechtigtes Frausein. Sie hat Frauen ein größeres Maß an Selbstbewußtsein, Freiheit und Autonomie auf sozial-politischer Ebene ermöglicht.
Dies waren sehr wichtige Schritte, die vielen Frauen neue Möglichkeiten eröffnet haben.
Die weibliche Emanzipation brachte aber auch eine Schattenseite mit sich.
Viele Frauen sind nun zu den „besseren Männern“ geworden, haben ihre männlichen Qualitäten entwickelt und ihre Weiblichkeit für ihre Karriere, ihre Anerkennung und ihren Erfolg geopfert.
Viele Frauen haben sich von ihrer Weiblichkeit entfernt, um einen Platz im patriarchalen System zu erkämpfen und spielen mit in den männlichen Prinzipien von Leistung, Konkurrenz, Effizienz und Kopfbestimmtheit.
Die Weiblichkeit leidet weiterhin in diesem System, das von Macht, Angst, Kontrolle, Beherrschung, Trennung, Arroganz und Ignoranz bestimmt ist!
In der neuen Frauenbewegung geht es nun darum, den weiblichen Prinzipien wieder ihren Wert, ihre Bedeutung und Kraft zu geben.
Weibliche Prinzipien
Was ist das weiblichen Prinzip?
Es ruht im Sein statt im Machen. Es fühlt das verbunden Sein statt die Trennung.
Es blüht auf im Kooperieren statt im Konkurrieren. Es liebt statt zu beurteilen.
Es nimmt Anteil statt gleichgültig und ignorant zu sein. Es hat Achtung vor allem Leben, statt zu mißhandeln. Es fühlt Demut vor allem Leben statt Arroganz und Überheblichkeit.
Es kommuniziert mit allem Sein statt es zu beherrschen. Es vertraut in den Fluß des Lebens statt Angst und Kontrolle auszuüben.
Diese Werte gelten für Frauen und Männer gleichermaßen. Es sind weibliche Prinzipien,
die in beiden Geschlechtern leben.
Frauen, stehen ihnen von Natur aus zwar näher, haben sich im Zuge ihrer Vermännlichung aber oftmals auch von ihnen entfernt.
Verletzungen der Weiblichkeit
Frauen verletzen ihre Weiblichkeit sehr oft selbst. Sie haben sich an den Zustand, in dem sie leben so gewöhnt, daß sie sich der Muster, mit denen sie ihre Weiblichkeit verletzen, oft nicht bewußt sind.
Sie sind es gewöhnt, im Leben zu funktionieren und viel zu „machen“ statt auf den natürlichen Fluß aus ihren Herzen heraus zu lauschen und aus der Intuition zu leben.
Sie sind es gewöhnt, von männlichen Prinzipien bestimmt zu sein und ihnen mehr Wert zuzumessen als den weiblichen.
Ihre Herzen sind mehr von der Angst bestimmt, sich ganz zu öffnen, statt aus der Fülle offener Liebe heraus zu leben.
Ihre Schöße sind größtenteils unbewußt und die tiefe Verbindung zu dem heiligen und kraftvollen Schoßraum in sich ist meist unbekannt.
Frauen verletzen ihre Weiblichkeit selbst, wenn sie nicht auf ihre Intuition hören, wenn sie ihrer inneren Wahrheit untreu sind und sich selbst verleugnen. Sie verletzen sich, wenn sie zu hart gegenüber sich selbst sind, zuviel von sich fordern und über die eigenen Gefühle hinweggehen.
Sie verletzen sich, wenn sie ihr Herz und ihren Schoß nicht mehr spüren und sexuell über ihre Grenzen gehen.
Erwachen einer neuen Weiblichkeit heißt, daß Frauen sich der Muster bewußt werden, mit denen sie sich selbst verletzen – und sie transformieren.
Die Sehnsucht des Weiblichen
Im Herz der Weiblichkeit lebt eine tiefe Sehnsucht. Es ist eine kollektive weibliche Sehnsucht, die jetzt ihrer Erfüllung entgegengeht.
Es braucht ein Kraftfeld der Verbundenheit unter Frauen, um kollektive Muster loszulassen und sich wiederzuverbinden mit dem tiefen weiblichen Wissen, das in den Zellen wohnt und eine neue Weiblichkeit zur Geburt zu bringen.
Erwachte Weiblichkeit
Erwachen einer neuen Weiblichkeit ist ein tiefes Entspannen und Wiedererinnern,
wer Frauen im Grunde ihres Wesens sind – hinter den Schleiern patriarchaler Deformierung, hinter den Wunden verletzter Weiblichkeit.
Die neue Weiblichkeit entsteht durch eine tiefe Rückverbindung zu den weiblichen Wurzeln und den Quellen weiblicher Kraft.
Sie erwacht, wenn die entstandenen Trennungen sich wieder auflösen -
die Trennung zur Erde, zur großen Mutter, zur eigenen Mutter,
die Trennung zwischen Frau und Frau, Frau und Mann,
die Trennung zwischen Schoß und Herz, Sex und Spirit,
die Trennung von der Liebe und der Göttlichkeit in allem Sein.
Vom Opfersein in die Schöpferinnenkraft
Das Erwachen einer neuen Weiblichkeit ist ein kollektiver Schritt aus dem Opfersein. Über die Jahrhunderte waren Frauen mit dem Opfersein identifiziert. Die Verletzungen der Weiblichkeit haben einen kollektiven weiblichen Schmerzkörper gebildet, von dem viele Frauen meist unbewußt bestimmt sind. Es braucht viel Mut, Klarheit und die Unterstützung in einem Kraftfeld der Schwesternschaft, um Licht in den weiblichen Schmerzkörper zu bringen und die noch wirkenden Muster zu erkennen und zu transformieren. Wenn tiefe Versöhnung geschieht, können die Schatten der Vergangenheit abfallen und die neue Weiblichkeit hat Raum, sich frei zu entfalten.
Dann finden Frauen wieder zu ihrer Schöpfungskraft und werden zu Schöpferinnen ihrer eigenen Wirklichkeit.
Heilung persönlicher wie kollektiver Wunden im Schoßraum
Der Schoßraum der Frau ist das Zentrum weiblicher Kraft – und es ist der Ort, an dem das Weibliche im Laufe des Patriarchats am stärksten verletzt wurde. Viele Frauen spüren keine Verbindung zu ihrem Schoßraum, er fühlt sich abgeschnitten, nebelig und unlebendig an.
Der Schoßraum der Frauen schläft – und die meisten haben sich so an den Zustand gewöhnt, daß sie sich dessen oft nicht bewußt sind. Doch der Schoßraum macht auf sich aufmerksam – durch Krankheit, Menstruationsschmerzen, Myome, Gebärmutterkrebs etc. Diese Symptome sind Ausdruck unterdrückter und verletzter Weiblichkeit und dem kollektiven weiblichen Schmerz und fordert unserer Zuwendung.
Erwachen einer neuen Weiblichkeit entsteht durch die tiefe persönliche und kollektive Heilung des Schoßraums.
Erwachen des Schoßes
Wenn der Schoß der Frau zu seinem vollen Potential erwacht, erwacht das Leuchten in ihrer Weiblichkeit.
Eine Frau, die in ihrem Schoßraum erwacht ist, ist verbunden mit ihrer Schöpfungskraft, mit ihrer Kreativität, ihrer inneren Weisheit und Intuition.
Ihr Selbstwert beginnt von innen her zu leuchten. Weibliche Würde breitet sich in ihr aus. Die Sexualität gewinnt an spiritueller Tiefe. Sie genießt ihre Sexualität als Quelle der Lebenslust und der Fülle. Das Lachen geht in ihr auf.
Sie sucht nicht mehr, sie ist tief in sich angekommen.
Sie wird zu einem wärmenden anziehenden Pol in der Welt, zu einer Quelle der Liebe.
Sie fühlt sich tief verbunden zu Mutter Erde, zum Leben und allen Sein.
Verbindung zu Mutter Erde
Das weibliche Sein nährt sich aus der Verbundenheit mit der Erde. Aus ihr erhalten Frauen ihre Yin-Kraft, die sie von unten nach oben durchströmt.
Zur weiblichen Natur gehört, im Wandel sein. Im Einklang mit den Qualitäten des inneren und äußeren Zyklus sein - dem Zyklus der Menstruation, des Mondes und der Natur mit ihren Jahreszeiten.Aus der Verbindung zur Erde und ihren Zyklen entsteht eine weibliche erdverbundene Spiritualität, aus der das Weibliche tiefe Kraft schöpft.
Kraftfeld der Schwesternschaft
Wenn Frauen beginnen, sich als Töchter dieser Erde zu sehen, wenn ihre Schöße beginnen zu erwachen und ein Bewußtsein dafür entsteht, daß wir alle Teil derselben Kulturgeschichte sind, dasselbe Erbe in uns tragen, diesselbe Sehnsucht in uns teilen, dann entsteht ganz von selbst ein Gefühl tiefer Verbundenheit unter Frauen – Schwesternschaft.
In einem Feld von Schwesternschaft zu Hause zu sein, den Heimatpol im Weiblichen zu finden, ist eine wichtige Quelle weiblicher Kraft.
Viele Frauen sind als Einzelkämpferinnen unterwegs und sehnen sich doch in ihrem Herzen nach schwesterlicher Verbundenheit. Je mehr Frauen zu den Quellen ihrer Weiblichkeit finden und ihre eigene Kraft zum Erblühen bringen, umso mehr kann sich
Konkurrenz, Neid oder Vergleich unter Frauen auflösen. Dann entsteht Freude, sich gegenseitig im Wachstum und in der Entfaltung des eigenen Potentials zu unterstützen
und der Schwesternkreis nährt, bereichert und inspiriert jede.
Versöhnung mit dem Mann
In einem Kreis der Schwesternschaft und im Weiblichen zuhause zu sein, ist die beste Voraussetzung, um dem Mann in der eigenen Kraft und aus offenem Herzen zu begegnen. Die neue Weiblichkeit kämpft nicht mehr gegen den Mann, sie muß sich nichts beweisen.
Sie versteht, daß wir beide Teil derselben Kulturgeschichte sind und unsere Wunden aus dem Patriarchat in uns tragen. Im Kreis der Frauen und im Kreis der Männer können wir uns diesen Wunden zuwenden und uns gegenseitig im Prozess der Heilung unterstützen.
Wenn der Schmerz durchfühlt wurde und wir das Opfersein hinter uns lassen können, kann Versöhnung geschehen. Dann wird unser Herz frei für die Liebe und Wertschätzung füreinander. Dann kann auch der Schoß der Frauen wieder Vertrauen finden und sich für den Mann öffnen. Eine erwachte Weiblichkeit schätzt das Weibliche und das Männliche, im Außen wie im Innen und findet in sich die eigene weiblich-männliche Balance
Erwachtes Frausein heißt Liebe sein
Je mehr Frauen in ihr tiefes Sein hineinentspannen, je mehr sie loslassen können von kontrollieren, machen und funktionieren, je tiefer sie sich mit ihren weiblichen Quellen verbinden, umso mehr strahlt die Liebe als natürliche Kraft aus ihnen.
Aus der Sehnsucht nach Liebe finden sie die Quelle der Liebe, die in ihnen wohnt.
Sie erkennen: Ich bin die Liebe, nach der ich suche. Ich bin die Fülle, nach der ich sehne. Es ist alles schon da.
Auf einer tieferen Ebene gibt es keine neue oder alte Weiblichkeit.
Es gibt einfach nur die eine Weiblichkeit, die immer schon ist,
das eine Sein, das alles durchströmt,
die Liebe, die in allem wohnt.
Sie will nichts. Sie umarmt alles.
Sie muß nichts erreichen. Sie ist schon angekommen.
Sie muß nicht kämpfen. Sie verändert durch die Liebe.
Sie muß nichts tun. Sie zieht an, wonach sie sich sehnt.
Diese Weiblichkeit schläft nicht und erwacht nicht, sie ist immer schon da.
Uns dessen bewußt zu werden und ganz anzunehmen – das ist Erwachen.
Portrait
Mayonah A. Bliss
beschäftigt sich seit 16 Jahren mit der Heilung der Weiblichkeit, mit weiblicher Sexualität und Spiritualität und dem Erwachen des Schoßes. Der Weg ihrer Selbstheilung wurde zu ihrem Beruf. Seit über 10 Jahren leitet sie Frauenseminare, Retreats und Jahrestrainings „Tempel der Weiblichkeit“.
2011 initiierte sie den ersten Frauenkongress „Erwachen einer neuen Weiblichkeit“ gemeinsam mit Tatjana Bach, gefolgt von 3 weiteren.
Mitgründerin des Vereins „Erwachte Weiblichkeit e.V.“